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Barrierefreiheit ist kein Geschäft

Ich möchte den Rahmen der Accessbility Blog Parade nutzen, zu der ich eingeladen worden bin, und eher den Vernetzungen nachgehen, als eigene Beiträge beizusteuern.

Accessibility Blog ParadeMaria Putzhuber versucht in ihrem Beitrag „Barrierefreies Web als Geschäftsfeld“ einige Probleme im Hinblick auf die Arbeit mit Barrierefreiheit als Geschäftfeld herauszuarbeiten. Ihre Argumente möchte ich noch etwas weiter ausführen.

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Das Definitionsproblem (noch einmal)

Derzeit befinden wir uns erneut in einer Phase der Abgrenzung und Postionsbestimmung in der barrierefreien Szene. Kürzlich auf einem barrierefreien Symposium konnte man die einzelnen Positionen deutlich erkennen: Hellbusch und Caspers, die Barrierefreiheit nur bzw. eindeutig an Behinderung gebunden sehen wollen, und diverse andere Positionen, die das Thema durchaus auch weiter gefasst sehen; Behinderung war für diese auch ein wichtiger Bezugspunkt, aber eben nicht nur.

Putzhuber stellt nun die Frage, ob diese Definitionsprobleme und (Neu-)Positionierungen nur Wortklauberei sind oder ein wichtiger neuer Bezugspunkt in der aktuellen Diskussion. Zum einen, wenn man die Frage weitergehend betrachtet, sind die Definitionsprobleme immer nur in jenen (Arbeits-)feldern neu und permanent, die noch neu und wenig etabliert sind. Daher, so würde ich meinen, rührt das beständige Beharren auf und Abgrenzen von beim Thema Barrierefreiheit in Deutschland vor allem daher, dass das Feld noch relativ neu und umstritten ist. Im amerikanischen Bezugsraum gibt es diese definitorischen Kämpfe zwar mitunter auch immer wieder, aber sie sind von viel kleinteiliger Natur, sie betreffen weniger den Kern von Barrierefreiheit, mehr die Abstufungen. Das liegt wiederum daran, dass dort das Thema Accessibility etwas anders gelagert und gängiger ist.

Barrierefreiheit hat nur mit Behinderung zu tun

Bei einer stärkeren Positionierung des Themas Barrierefreiheit im deutschsprachigen Raum ist jedoch der alleinige Fokus auf das Thema Behinderung auch hinderlich. So wenig in Abrede zu stellen ist, dass Behinderung der wichtigste Bezugspunkt ist, so wenig erreicht man damit eine Breitenwirkung, wie das im amerikanischen Raum mit dem Begriff Accessibility möglich ist.
Und es ist Putzhuber zuzustimmen, das der aktuelle Trend nicht unbedingt in Richtung Barrierefreiheit und Standardisierung geht, sondern längst Web 2.0 und den Nutzer als Lifestyle Konsumenten entdeckt hat. Wenn sich innerhalb dieses Trends auch noch die Standardisierung mitnehmen und auch die Zugänglichkeit (ich spreche hier bewusst, nicht von Barrierefreiheit) irgendwie einbauen läßt, na umso besser, sagen die Agenturen gerne.

Mitunter schrumpft der Anspruch auf Barrierefreiheit im Tagesgeschäft dann auf einen so merkwürdigen Zwischenbegriff wie Barrierearmut, der eher dem amerikanischen Begriff der Accessibility nahe kommen will, jedoch vielfach nur einen etwas höheren Web Standard erreicht.
Auch würde ich sagen, den Umweg über das Thema Usability zu nehmen, um damit auch die Barrierefreiheit wieder mit ins Boot zu holen, ist zwar löblich, aber auch nicht hinreichend. Das sind dann doch mindestens zwei Paar Schuhe. Sicherlich gibt es in all diesen Ausrichtungen thematische und technische Überschneidungen, aber letztlich bleibt Barrierefreiheit in seiner Ausrichtung bei der Usability nicht stehen.

Barrierefreiheit und nichts sonst

Darum plädiere ich letztlich dafür, das Thema Barrierefreiheit nicht irgendwo anzudocken, genauso wenig wie ich das Thema Standardisierung irgendwo mit anhängen würde. Gerade weil Agenturen es gerne als etwas sehen, dass man irgendwie auch noch mit machen kann oder mitlaufen lassen kann.
Dem ist jedoch nicht so. Das Thema Barrierefreiheit im Internet ist schwierig und umfangreich genug, dass man sich darauf spezialisiert und es auch entsprechend als Schwerpunktthema dem Kunden verkauft und in Agenturen platziert. Auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass es nur um Behinderung geht, denke ich, dass es nur um Barrierefreiheit geht, nicht um Web Standards, nicht um Usability oder wie auch immer nutzerfreundliche Oberflächen.

3 Antworten auf “Barrierefreiheit ist kein Geschäft”

  1. Ich finde solche Abgrenzungen nicht wirklich hilfreich. Oft betreffen sie ohnehin eher die argumentative Ebene – wie verkaufe ich es auch dem Kunden, dem „reine“ Behindertenunterstützung nicht zu verkaufen ist.

    Stattdessen sind Barrierefreieheit, Usability, Standardtreue u.a. alle Varianten des übergeordneten Themas Qualität.

    Und hier liegt das eigentliche Problem. Es gibt weder ein Bewußtsein für Qualität, noch entsprechende Bewertungssysteme, von Regularien ganz zu schweigen, um die Qualität einer Website festzustellen.

    PS: Wa sist denn merkwürdig an dem Begriff Barrierearmut? Ich finde ihn passender und ehrlicher als das absolute Barrierefreiheit.

  2. Hallo Kai,
    es sollte sicherlich eine Abgrenzung sein, aber besonders war es eine polemische. Wer meinen Blog mitliest, würde mir sicherlich nicht unterstellen, dass ich ein Scheuklappen-Denken vertrete. 🙂

    Ja – sicherlich hat man immer Schwierigkeiten, dem Kunden das Thema Barrierefreiheit nur mit der Anbindung Behinderung zu verkaufen. Aber: bis dato sind es ja Kunden, die gesetzlich dazu verpflichtet sind und somit kann und muss man ihnen genau das Thema so verkaufen.

    Dass Barrierefreiheit im ganz allgemeinen Rahmen Qualität steht, steht ausser Frage. Ich widerspreche Dir hier nur insofern, dass ich denke, man muss bei sich selbst anfangen und ein Bewußtsein für Bewertung und Regularien schaffen.

    Etwa den Kunden darauf verweisen, dass es Möglichkeiten der Zertifizierung in der Barrierefreiheit gibt (DIN Cert, BIK 95 und 90 plus). Und wenn man sich etwa durch die BIK 95 plus Liste arbeitet, hat man schon sehr viel mehr als nur für die Qualität einer Webseite getan.

    Ich halte diese Abstufungen in den Begrifflichkeiten im Thema Barrierefreiheit für kritisch, und nicht nur in Punkto Begrifflichkeit. Leider zieht das zu oft auch eine praktische Einschränkung mit sich, die eher einer Verwässerung gleich kommt, die man dann noch weniger zertifizieren kann als den Versuch, eine möglichst umfassende Barrierefreieheit zu erzielen.

    Und: das Thema Ehrlichkeit finde ich in diesem Bereich auch problematisch. Wer ist wem gegenüber ehrlich oder ehrlicher? Dem Kunden oder dem potentiellen Nutzer?

  3. […] zwischen Barrierefreiheit, Usabilty und Business, Sylvia Egger hält dagegen und plädiert für die Eigenständigkeit des Themas, ich polarisiere zynisch mit gesellschaftlichen und moralischen […]

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