Die EfA-Tagung „Konzepte und Zukunftsbilder für ein Barrierefreies Internet“ ist ja nun vorüber und ich werde eine knappe Nachlese zu meinen beiden besuchten Workshops machen. Und um es gleich vorwegzunehmen, der zweite Workshop hatte im Gegensatz zum ersten durchaus Tiefe. :)
Der Workshop 09 – Verordnete (Barriere-)Freiheit beschäftigte sich mit der Zukunft der barrierefreien Gesetzgebung, dem BITV und dem WCAG 2.0.
Im Gegensatz zu meinen Erwartungen war der Workshop gut besucht und ich war sozusagen unter die Experten gekommen. Hier hatte sich alles versammelt, was mit der barrierefreien Gesetzgebung zu tun hat: Vertreter des W3C (Shadi Abou-Zahra), der BIK, des Bundesministeriums (Andreas Schlüter) und diverser Verbände und Arbeitskreise wie Franz-Josef Hanke vom Arbeitskreis Barrierefreies Internet. Das fand ich so als Erfahrung an sich schon ziemlich gut. Das inhaltliche – und Diskussionsniveau war entsprechend hoch, Jutta Croll (Stiftung Digitaler Chancen) hatte die Moderation fest im Griff – ein dickes Lob dafür, wir haben sogar ein abschließendes Thesenpapier geschafft, das durchaus eine zukünftige Richtlinie aufzeigt. Freilich erreichte die Diskussion unter den vielen Experten mitunter auch einen gewissen Insidergrad, aber ich werde versuchen, die mir schlüssigen und interessanten Punkte zusammenzustellen. Ich bitte auch um Korrektur, wenn ich nicht immer alles getroffen habe: :-)
Barrierefreie Gesetzgebung: wann kommt was endlich neu?
Die Frage lag quasi offen im Raum: wann kommen endlich die neuen Gesetzgebungen. Das interessante dabei ist, dass die BITV unbedingt noch vor dem WCAG 2.0 ins Rennen gehen will. Das BITV wird noch diesen Sommer aktuell werden – es soll im Sommer zur Diskussion gestellt werden, das WCAG 2.0, derzeit im Recommendation-Status, kommt Ende des Jahres. Man könne nicht mehr länger mit der BITV warten, mit Jahresende, spätestens Anfang 2009 müsse es aktualisiert sein. Dadurch hat sich natürlich die Frage ergeben, wie stehen BITV und WCAG zukünftig zueinander.
Einige der aktualisierten Bereiche der neuen BITV wurden genannt: Es wird vor allem einen stärkeren Fokus auf Gehörlose (Stichwort: Gebärdenvideos) geben. Und es wird stärker Bezug auf die technischen Änderungen genommen – man darf gespannt sein. :)
Macht sich die BITV selbstständig?
Für mich als Entwickler stieg die Befürchtung, dass sich BITV und WCAG in unterschiedliche oder zumindest nicht deckungsgleiche Richtungen entwickeln. Damit würde sich dann das Problem ergeben, zwei Gesetzgebungen zu berücksichtigen, was die Arbeit nicht gerade leichter machen wird. Ein wirklicher Konsens war zwischen W3C und Bundesministerium nicht herauszuhören. Ein Pluspunkt könnte sein, dass der Wunsch nach Harmonisierung von BITV und WCAG durchaus vertreten wurde und auch auf dem Thesenpapier Eingang fand. Ich drücke uns mal die Daumen. ;)
Eindeutige Fristen sind wichtig
Deutlicher Konsens herrschte bei der Frage, ob für die Umsetzung der BITV die Setzung von zeitlichen Fristen notwendig ist. Es war klar, dass ohne klare, eindeutige Fristen die Umsetzung nach BITV im Sande verlaufen wäre. Deswegen kann man davon ausgehen, dass es auch in der aktuellen BITV wieder eine feste Fristensetzung geben wird. Weiterhin wird die BITV nicht die Privatwirtschaft betreffen.
Wie lässt sich das BITV aktueller halten?
Das Problem, dass Gesetzgebungen rasch veralten, wurde zwar erkannt, aber es sollte auch – so Andreas Schlüter – nicht überbewertet werden. Schließlich wird man mit diesem Problem immer konfrontiert sein. Die BITV soll zwar nicht wie das WCAG einen mehrstufigen Abstimmungsprozess durchlaufen, jedoch wird an einer Rückkoppelung gearbeitet, um die BITV aktueller zu halten. Als erstes Stichwort wurde ein Wiki genannt, das einen Rückkanal eröffnen soll. Andererseits wird auch gesehen, dass die BITV nach der Aktualisierung Nachbesserungsbedarf haben wird, diesen könnte man durch Fristen abbauen (Ich muss hier passen, hierbei scheint es sich um interne Fristen zu handeln).
Eher unbestimmt bestimmt ließ Andreas Schlüter die Frage im Raum stehen, ob sich die BITV an die eher generellen Formulierungen der WCAG 2.0 – damit ist sie zukunftsfähiger und in unterschiedlichen Kontexten argumentativ einsetzbar -, hält. Die BITV gehe hier einen Zwischenweg und wolle so konkret wie möglich formulieren.
Welche Instrumente unterstützen das BITV
Man stellte sich die Frage, welche Instrumente stehen abseits der Zielvereinbarung, die nur für große Unternehmen in Frage kommt, noch zur Durchsetzung der BITV zur Verfügung. Wie kann man kleinere und mittelständige Betriebe davon überzeugen, ihre Seiten barrierefrei zu gestalten. Auch würden eine Handvoll Verbände nicht ausreichen, um die Zielvereinbarung auch in großem Rahmen durchzusetzen. Als Stichwort und zusätzliches Instrument wurden Patenschaften genannt. Ein vorläufiges Fazit war, dass Instrumente wie Fristen und Zielvereinbarung nicht hinreichend sind. Es müsse auch eine Kultur der Barrierefreiheit geschaffen werden. Wie diese zu gestalten ist und forciert werden kann, wurde leider nicht mehr angesprochen. :)
Mehr Standards müssen barrierefrei werden
Ein großes Thema, das von mehrere Seiten immer wieder in die Diskussion eingebracht wurde, war die Rolle der Standards. Standards müssten barrierefrei werden. Der Vertreter der BIK machte auf den großen Bereich der Normung aufmerksam, den man mit der BITV verbinden könnte. Markus Erle (Wertewerk) machte mehrmals darauf aufmerksam, dass Standards wie etwa Autorentools vorrangig barrierefrei sein müssten. Barrierefreie Standards müssten sich dort zuerst durchsetzen.
Fazit
Der Workshop schaffte den Spagat, über den aktuellen Zustand einer veralteten Gesetzgebung hinaus zu blicken und gleichzeitig durchaus konkrete Schritte anzusprechen. Er hat das Motto von Andreas Schlüter fast wörtlich umgesetzt: so konkret wie möglich und so abstrakt wie nötig.
[…] ausgewählt werden oder man macht verschiedene Gruppen/ Pools auf. Wie ich in meinem Workshop zur Gesetzesgebung und Barrierefreiheit erleben durfte, kann das veranschlagte Konzept durchaus aufgehen. Eine gute Mischung aus […]