Interessante Debatte im WCAG-Repository „Make ARIA11, ARIA13 and H101 advisory techniques“, ob der Einsatz von ARIA landmark roles
oder HTML Regionen nur noch eine Empfehlung sein soll (advisory technique) und nicht mehr eine hinreichende Technik (sufficient technique), um das Erfolgskriterium WCAG 1.3.1 „Info und Beziehungen“ zu erfüllen.
Genauer gesagt sollen gleich drei hinreichende Techniken heruntergestuft werden auf eine Empfehlung (advisory technique):
- ARIA11: Using ARIA landmarks to identify regions of a page
- H101: Using semantic HTML elements to identify regions of a page
- ARIA13: Using aria-labelledby to name regions and landmarks
Denn Semantik ist wohl nicht mehr wichtig. Es gäbe, so in der Github-Diskussion, ja sicherlich Seiten, auf denen es schwierig sein könnte, etwa die HTML-Regionen (main
‚ nav
, banner
, footer
, aside
, search
) sinnvoll einzubinden in HTML. Aha. Seit Jahren nutzen wir in HTML diese wunderbaren HTML-Regionen, um sowohl Semantik als auch Unterstützung für Nutzende mit Screenreader zur Verfügung zu stellen. Und nun wäre das nur eine Möglichkeit unter vielen, das Erfolgskriterium zu erfüllen?
Dann sollte man aber auch im Erfolgskriterium 2.4.1 „Bereiche überspringbar“ die Technik ARIA11 nur unter Empfehlung (advisory technique) aufführen und nicht unter hinreichend (sufficient). Und vor allem sollte man auch mal die Techniken ergänzen um HTML-Regionen und die ARIA-Techniken überdenken. Schließlich waren ARIA landmarks
nur solange wichtig, wie es noch keine entsprechenden HTML-Regionen in HTML gab.
Und wie auch ganz richtig angemerkt wurde, wird bei einem Test auf Barrierefreiheit – im BIK BITV-Test Web etwa im Prüfschritt „2.4.1 Bereiche überspringbar“ – geprüft, ob eine generelle Struktur für die Seiten mit HTML-Regionen vorhanden ist – also Kopf-, Navigation-, Haupt- und Fußbereich und im Einzelfall auch Seitenbereich – und korrekt integriert ist. Wenn die generelle Struktur nicht verständlich ist, also etwa der Hauptbereich (main
) fehlt und die Hauptnavigation nicht als Navigation (nav
) ausgezeichnet ist, kann das nicht konform sein.
HTML-Regionen in WCAG ACT-Rules und axe-core
Sieht man sich die WCAG Test-Regeln (ACT-Rules) an, findet sich dort zwar eine Test-Regel „Document has a landmark with non-repeated content“, aber auch wenn diese Test-Regel bestanden ist, ist diese Regel für Konformität nicht nötig. Im Übrigen sind die angeführten positiven Beispiele immerhin aktueller, weil sie auch HTML-Regionen enthalten. Aber ein Beispiel enthält gleich mehrere Hauptregionen (main
), was weder sinnvoll noch gemäß HTML-Spezifikation gewünscht ist:
A document must not have more than one main element that does not have the hidden attribute specified.
Sieht man sich die Test-Regeln von axe-core im Hinblick auf HTML-Regionen an, ist es nicht konform für das Erfolgskriterium 2.4.1 „Bereiche überspringbar“, wenn es nicht wenigstens für den Hauptinhalt der Seite eine HTML Region main
gibt oder einen Sprunglink zum Hauptinhalt oder eine Hauptüberschrift.
Die Frage ist, ob nicht auch die Technik H101 (HTML-Regionen) besser zusätzlich im Erfolgskriterium 2.4.1 „Bereiche überspringbar“ als hinreichend integriert werden sollte. Und wenn ich meine Nutzung der Techniken in WCAG betrachte, habe ich Techniken als Empfehlungen immer nur so wahrgenommen: Entweder waren die Techniken bisher nicht realisierbar, weil zu zukünftig, oder sie waren einfach eine Empfehlung, die man oft nicht wirklich für die konkrete Umsetzung in HTML anwenden konnte.
So wichtige Semantik wie HTML-Regionen als Empfehlung in den Techniken herunterzustufen, wird – so befürchte ich – dazu führen, dass der Einsatz von HTML-Regionen wieder zurückgehen wird und wir dann wieder eine Div-Suppe oder eine section
-nitis haben werden.