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EfA-Tagung: Workshop 09 – Verordnete (Barriere-)Freiheit

Die EfA-Tagung „Konzepte und Zukunftsbilder für ein Barrierefreies Internet“ soll ja entsprechend von den Teilnehmern mit vorbereitet werden. Daher werde ich – zwar etwas knapp – vorab hier versuchen, die Thesen der Experten abzuklopfen und – wenn nötig – Gegenthesen vorzubereiten.

Der Workshop 09 – Verordnete (Barriere-)Freiheit setzt sich mit dem Thema gesetzliche Vorgaben und Barrierefreiheit auseinander. Ich finde es sehr interessant, Anspruch und Wirklichkeit der gesetzlichen Vorgaben zu diskutieren. Besonders interessant erscheint mir dabei, wo findet die Rückkoppelung zwischen den gesetzlichen Vorgaben und den Entwicklern und Nutzern statt.

Hat die BITV was gebracht?

Franz-Josef Hanke ist rundum zuzustimmen, dass sowohl das WCAG 1.0 als auch die BITV Maßstäbe gesetzt haben. Das kann man einfach nicht anders zusammenfassen. Ohne BITV hätte sich höchstwahrscheinlich gar nichts getan. Seit dem Inkrafttreten der BTIV und den Terminen der Landesgesetzgebungen kamen erst die Anfragen, wir müssten das dann auch bis zu diesem Termin schaffen, unsere Webseite barrierefrei zu gestalten. Seit der offiziellen Gesetzgebung gibt es erst die Rückfragen, können wir das überhaupt auf unserer Webseite einbauen oder gibt das Probleme mit der Barrierefreiheit. Wohlgemerkt wird immer mit dem Gesetz argumentiert und einem eher abstrakten Verständnis von Barrierefreiheit. Selten wird nachgefragt, was dieses Problem konkret bedeutet. Aber: es wird nachgefragt, es hat sich über die letzten Jahre ein gewisses grundsätzliches Verständnis eingestellt, dass die Umsetzung von barrierefreien Seiten leichter macht. Man stößt weniger auf Unverständnis und Ignoranz. Aber es bleibt immer noch hinreichend zu tun, vor allem was das konkrete Verständnis betrifft. Man setzt zwar für den Kunden eine Gesetzesvorlage um, aber im Grunde setzt man konkret für Menschen um.

BITV als Checkliste

Das berührt eine umfassendere Diskussion. Deshalb hier nur eine knappe Antwort. Das Checklisten-Phänomen ist, so denke ich, auch ein gewachsenes. Vor Jahren, als ich das erste Mal mit der BITV konfrontiert war und eine barrierefreie Seite erstellen sollte, habe ich mich hingesetzt und aus der BITV und deren Interpretationen (etwa bei Einfach für Alle, Hellbusch) Punkt für Punkt aufgeschrieben – auch schon eine Art Checkliste -, was ich abarbeiten kann und muss. Die BITV war quasi Start- und Ankerpunkt zugleich, damit habe ich angefangen, Webseiten barrierefrei zu optimieren. Dass man mit den Jahren von der Checkliste sich entfernt, ist klar. Einerseits wurde die BITV und das WCAG immer älter und älter, andererseits sucht man andere Seiten auf, guckt, wie machen die das, optimiert und stellt in Frage.

Aber: nach wie vor ist die BITV der Ausgangspunkt und stellt damit an sich eine Checkliste dar. Dem Kunden gegenüber, der seine Webseite nach BITV erstellt und gesichert wissen will, stellt sie auch die wichtigste Größe dar. Man kann dem Kunden gegenüber genau – quasi Punkt für Punkt – auflisten, was man von der BITV erfüllt hat. 🙂 Will der Kunde auch noch eine Zertifizierung seiner Webseite wie etwa bei der BIK angeboten, dann wird die BTIV wieder wichtig, denn auch dort bildet sie die Grundlage.

Eher unangenehm sind die verkürzten Derivate der BITV online, wo Agenturen oder Einzelpersonen gerne mal nach ihrem Gusto die gesetzlichen Vorgaben zusammenstellen und -kürzen. Da klingt dann alles einfach bis schlicht verstellt. Das Problem dabei ist ja nicht, dass jemand sich seine eigene Checkliste macht, sondern dass Checklisten auch immer Vorbildcharakter haben und andere munter gerne diese verknappten Derivate nutzen und glauben, das stimmt dann schon so auch irgendwie. Deswegen empfehle ich auch heute immer noch, sich zuerst mit der BITV selbst zu beschäftigen und/oder den BIK Selbsttest zu nutzen.

BITV oder lieber auf Selbstregulierung vertrauen

Wie schon bereits angeklungen, halte ich wenig von keiner oder weniger Gesetzgebung. Ich glaube auch wenig bis gar nicht an die Selbstregulierung. Funktioniert das sonst irgendwo? 🙂 Selbstregulierung klingt für mich immer ein wenig nach, na, wenn genügend Bedarf da ist oder wenn es leicht geht, dann kümmern wir uns auch mal um die Barrierefreiheit. Für Barrierefreiheit wird es immer Gesetzgebung brauchen, und erst recht in einem wie auch immer noch neuen Medium. Und im übrigen schließen sich diese beiden Herangehensweisen nicht aus. Beides – umso besser!

BITV ist veraltet

Hier schließt sich dann gleich die Frage an, wann kommt die neue BITV. Theoretisch sobald das neue WCAG offiziell ist, praktisch am besten heute. 🙂 Das Problem mittlerweile sowohl mit BITV und WCAG 1.0 ist, dass sie hinter den technischen Entwicklungen eindeutig nachhinken bzw. in vielen Web 2.0 Zusammenhängen schlicht nicht mehr greifen (können). Was auch aufgrund der Jahre – die BITV stammt aus dem Jahre 2002 -, ganz klar ist (Stichwort dazu: Einfach für alle hat ja einen wichtigen Schritt gemacht, das BITV auf seinen Altersunterschied abzuklopfen). Aber: Wir Entwickler, wenn ich das mal so zusammenpacken darf, müssen immer aktuell und konkret entscheiden, was ist noch barrierefrei machbar und was geht gar nicht oder eventuell in der Zukunft. Was macht man als Entwickler, wenn der Kunde ständig nach AJAX fragt und verträgt sich das mit der Barrierefreiheit, nur so als Beispiel. Dazu gibt es weder in der BITV noch bei der BIK hinreichend Ergebnisse und Hilfestellungen. Da sitzt man dann wieder auf seinem Hosenboden und guckt online, was andere in diesem Bereich dazu schon gesammelt und getestet haben.

So sehr es wichtig ist, dass eine Gesetzgebung wie das WCAG 2.0 möglichst umfassend ist, so schmerzlich ist das für den konkreten Entwickler, der sie eigentlich auch schon weniger umfassend verbindlich nutzen würde. 🙂

BITV und wo bleibt der Rückkanal

Grundsätzlich denke ich, dass Gesetzgebungen wie BITV und WCAG notwendig ständig veralten und es müsste ein Mechanismus, eine Art Rückkoppelung geschaffen werden, die nicht erst in der letzten Phase einer neuen Gesetzgebung den Anwender, Nutzer, Entwickler zur Rückmeldung bittet, sondern quasi on the fly und permanent einen offenen Rückkanal zur Weiterentwicklung nutzt. Ich denke, die gesetzlichen Vorgaben ließen sich viel schneller und breiter durchsetzen, wenn man die Entwickler und Nutzer nicht so alleine damit lassen würde. Wie auch immer so ein Rückkanal aussehen kann, fände ich es endlich an der Zeit, dass die Erfahrungen der Entwickler und Nutzer in die Gesetzgebung permanent einfließen sollten. Damit könnte erreicht werden, dass aktuelle Entwicklungen und Probleme schneller gelöst werden können. Freilich ist mir bewußt, dass das ein schwieriges Unterfangen ist, aber ich halte es für eine gute Möglichkeit, Richtlinien transparenter und umsetzbarer zu gestalten.

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