Ist ein Webauftritt, der nicht vollständig skalierbar ist, nicht mehr barrierefrei?
Solche und ähnliche Fragen höre ich fast täglich. 🙂 Heute hatte der Kunde Angst, dass ein Webauftritt nicht barrierefrei ist, weil er nicht vollständig skalierbar ist. Vollständig meint, dass auch die Bereiche (Container) einer Webseite skalierbar sind, dass man quasi nach oben und nach unten skalieren kann und die Webseite zerfällt nicht in ihre Einzelteile.
Nun – das wäre das Optimum und sicherlich wünschenswert. Ich habe bereits einen Auftritt mit der Einheit em vollständig skalierbar gemacht, was hieß, alles proportional durchzurechnen. Und: das ist wirklich aufwendig und der Kunde steht vor einem ähnlichen Problem wie bei Optimierung auf Barrierefreiheit im Allgemeinen – es kostet Zeit und Geld. 🙂
Die Frage ist, wieviel Zeit und Budget hat man und wie weit kann man die Skalierbarkeit voranbringen. Meisthin bleibt es bei der Mittellage, wie es auch das BITV fordert (Prüfschritt 3.4.1. – Schriftgröße variabel). Der Prüfschritt ist dann erfüllt, wenn „Schriftgrößen auch im Internet Explorer skalierbar (sind), das Layout ist auch mit großen Schriften nutzbar“.
Schön ist es, wenn dieser Prüfschritt mit im Budget ist, mitunter ist auch das nicht möglich. Dann bleibt es bei der Skalierung der Schriften in Prozenten oder em.
Ergo: Die Frage nach Finitem – ist etwas, wenn das nicht ist, schon nicht mehr barrierefrei – ist schwierig zu beantworten im Bereich der Barrierefreiheit.
Ein wichtiges Fazit fehlt hier bzw ein Sub-punkt: Barrierefrei ist eine Seite auch noch, wenn das Layout zerfällt (Kennt man von floatenden Boxen unter bestimmten Umständen). Weil les- und begehbar ist es ja trotzdem.
Und etwas, wo ich widersprechen, bzw. intervenieren möchte: prozentuale/ em-Breiten sind (meines Erachtens) nur bis zu einem bestimmten Punkt barrierefrei, nämlich der, wo der Inhalt rechts aus dem Browser rausfliesst.
Zu Punkt 1:
Ja, sicherlich ist der Auftritt auch dann noch barrierefrei. Trotzdem ist immer die Frage, fuer wen genau es zum Problem wird, wenn das Layout zerfaellt und fuer denjenigen die Seite dann nicht oder nur schwer bedienbar wird.
Zu Punkt 2:
Kannst Du das genauer erlaeutern, was Du mit „der Inhalt fliesst rechts aus dem Browser raus“? Meinst Du, dass die Boxen zu statisch sind, weil nicht prozentual, und der Text aber prozentual und daher ueber die Box hinausschiesst?
Die Frage stellt sich doch: Soll die Website oder das Layout barrierefrei sein? Ich denke diese Frage sollte nicht außer acht gelassen werden und schließt sich an Mikes Kommentar an. Die Seite ist barrierefrei, wenn das Layout zerschossen ist, nur das Layout ist es dann somit nicht.
@soophie:
Die Frage ist doch, ob man das trennen kann oder sollte – Webseite == oder != Layout. 🙂
Ich denke, das laesst sich schwer trennen bzw. sollte auch nicht getrennt werden.
Es schliesst in der Fragestellung ein wenig an das Thema „Standardisierung == Barrierefreiheit„. Reicht es, wenn ich die Webseite standardkonform aufbaue? Also quasi auf Layouttabellen verzichte und sonst alle Regeln einhalte?
Ich denke, eben nicht. Zu einer barrierefreien Webseite gehoert eben mehr als auf Layouttabellen zu verzichten und nachzusehen, dass das Layout nicht zerfaellt. 😉
Und Barrierefreiheit sollte sich weder darin erschoepfen, das Layout skalierbar zu machen noch den Tabindex zu setzen. Die Summe und die Erfahrung machts.
Für mich ist eine Website vor allem der Inhalt. Dieser wird mittels des Interfaces dem User nutzbar gemacht. Dazu gehört eben auch die Gestaltung. Strikt trennen kann man das Ganze mit Sicherheit nicht, aber fragen wir uns dann nicht, wenn das Layout == Website ist, ob eine Textversion != Website ist, da sie ja ohne Layout lebt… Aber das ist jetzt, glaube ich, ein anderes Thema 🙂
Ja – ich stimme Dir ja im Wesentlichen zu. 🙂 Auch fuer mich ist die Webseite vor allem der Inhalt, wenngleich ich mich auch gerne an schoenem Design erfreuen kann. (das kleine graphische Auge liest eben auch gerne mit).
Aber: Dem Kunde ist eben Webseite nicht nur Inhalt, oftmals mehr Layout als Inhalt. 😉
Daher verschwimmen diese Definitionsversuche in Agenturen mitunter.
Freilich waere dann zu definieren, was eine Textversion sein soll und kann. Die meisten verstehen darunter ja eine Version, die keinerlei grafische Vorstrukturierung enthält.
Ich verstehe das ja nicht so, sondern denke, eine gut strukturierte Textversion oder linearisierte Version soll, wenn gleich graphisch extrem abgespeckt, durchaus einen guten Lesefluss ermoeglichen.
Mir fehlt die praktische Erfahrung, aber ist es denn möglich ein Layout 100%ig skalierbar zu machen (gestalterisch und auch textlich), ohne beim Layout Abstriche zu machen? Ich glaube nicht, dass das gehen kann. Aber Abstriche sind wohl die größte Schwierigkeit beim Thema Barrierefreiheit.
Ich finde Textversionen sehr sinnvoll. Insbesondere bei schlecht gestalteten oder falsch umgsetzten Websites würde ich gern auf die schmale Variante zurückgreifen. Bisher konnte ich auf meinen Web-Touren aber nie Websites finden, die Textversionen anbieten. (außer auf Websites zum Thema Barrierefreiheit)
Natürlich ist eine 100% Skalierbarkeit möglich. Dafür muss man im Idealfall – an manche grafischen Elemente kommt man, wenn ein CMS eingesetzt ist, nur schwer ran (sprich: wenn sie etwa in einem WYSIWYG-Editor eingearbeitet werden), mit einer proportionalen Grösse (z.B. em) versehen. Dann kann man beliebig verkleinern und vergroessern, der Layoutrahmen geht quasi dann immer mit (Beispiel: nahverkehr.nrw.de).
Die meisten herkömmlichen Seiten gehen davon aus, wenn sie standardkonform und semantisch korrekt gebaut sind, dass sie per se auch ohne Stylesheets gut nutzbar sind. Dem ist aber meiner Erfahrung nach nicht automatisch so.
Deswegen vertrete ich die Ansicht, dass auch Textversionen (ich spreche derzeit lieber – weil so missverständlich – von linerarisierten Versionen oder Versionen mit geringer Stylesheet-Formatierung) optmiert werden sollten.